Räuchern zur Winterszeit
Die Tage sind kurz geworden und das Wetter draußen kalt, regnerisch und ungemütlich. Wir freuen uns auf vorweihnachtliche Düfte – und so wollen wir es schon Wochen vor der Wintersonnenwende und den Rauhnächten unseren Vorfahren nachmachen und uns der Jahrhunderte alten Tradition des Räucherns aromatischer Kräuter und Baumharze zuwenden. Es begleitet mich diesmal eine weitere Kooperationspartnerin, die Krankenschwester und Kräuterpädagogin Carmen Sigl, die im Juli dieses Jahres mit mir zusammen die Prüfung zu dieser Qualifikation an der Gundermann-Schule abgelegt hat.
Wir haben uns dazu den 17. November ausgesucht – den Namenstag der Seligen Hiltrud vom Rupertsberg (1117 oder 1123-1177). Selbst Bibelfeste müssen diese Rheingauer Nonne nicht kennen. Viel bekannter und wichtiger ist ihre rd. 20 Jahre ältere Freundin und lebenslange Mentorin seit Jugendtagen, die kräuterkundige Universalgelehrte Hildegard von Bingen (1098-1179), Äbtissin auf dem sonnigen Hügel oberhalb der Mündung der Nahe in den Rhein, nur 50 km südlich meiner alten Heimat Koblenz. Da es in manchen Gesundheitsshops so genannte „Räuchermischungen nach Hildegard von Bingen“ zu kaufen gibt, könnte ein Laie auf die Idee kommen, Hildegard sei nicht nur Heilkundige, sondern auch eine große Räucher-Fee vor dem Herren gewesen. Das aber – so stelle ich in der Einführung zu unserer Veranstaltung klar – ist ein Missverständnis! Denn diese Mischungen sind eine freie Erfindung der Anbieter und haben nichts mit Hildegard zu tun! Nur selten empfiehlt Hildegard in ihrer Physica – ihrem 9-bändigen gesammelten Wissen über Pflanzen, Tiere und Mineralien ihrer Zeit -, Substanzen anzuzünden (z.B. Hirschhorn mit Weihrauch, Eiben- und Ulmenholz), um böse Geister zu vertreiben. Weihrauch kennt sie gegen Ohrenschmerzen, und als Schnupfenmittel empfieht sie, Fenchel und Dill auf einen glühenden Dachziegel zu streuen und den Rauch einzuatmen. Das sind aber die Ausnahmen von der Regel.
Wir wollen uns heute mit 4 Pflanzen beschäftigen: Beifuß, Salbei, Wacholder und Fichte. Hildegard kannte sie alle 4 und beschreibt in der Physica Verarbeitungsmöglichkeiten zu Saft, Wein, Tee, Essig, Salbe u.a. – Räuchern aber ist nicht dabei! Es wird in unserem Apothekarium im neuen Jahr 2024 mit Hildegard-Kennerin Sieglinde – heute ausnahmsweise in der Gast-Rolle anwesend – noch einige Gelegenheiten geben, uns mit den Rezepturen vom Rupertsberg zu beschäftigen – doch heute – so stellt Carmen, an die ich nun übergebe, klar – machen wir etwas anderes! Meine Kollegin wird uns verschiedene Möglichkeiten, diese Pflanzen zu räuchern, und ihre unterschiedlichen Wirkungen erklären!
Mit 15 Teilnehmer*innen ist unsere Veranstaltung ausgebucht. Auf unserem Präsentationstisch stehen Beifuß, Salbei, Wacholder und Fichte frisch, getrocknet und Produkte davon; auch historische Lithographien aus unserer Originalausgabe von Köhler’s Medizinal-Pflanzen-Lexikon (1887-1898) liegen aus – diese Abbildungen sind so exakt, dass sie heute noch besser als manches Foto zur Pflanzenbestimmung herangezogen werden können. Dazu gesellen sich die einzelnen Räucher-Utensilien, zu denen wir noch kommen.
Die Räuchertradition ist Jahrtausende älter als Hildegard von Bingen. Geräuchert wurde in den verschiedensten Kulturkreisen aus vielerlei Gründen – in Europa sehr bekannt ist das Räuchern im so genannten „Keltischen Jahreskreis“. Mag dieser auch eine neuheidnische Konstruktion des 19. Jahrhunderts sein – die einzelnen Feste haben vorchristliche Vorbilder in überlieferten volkstümlichen Bräuchen, zum Teil noch nachvollziehbar in irischen Volksfesten. Es gab 8 wiederkehrende Festtage (4 fixe und 4 bewegliche) – Carmen hat uns eine Illustration dazu mitgebracht -, die die des Lesens und Schreibens unkundigen Bauern nach der Natur definierten. Himmelskörper und Gestirne haben sie schon genau beobachtet – allen voran Sonne und Mond, die sich im Jahresverlauf scheinbar immer auf die gleiche Weise bewegten:
- Yule – 21. Dezember – Wintersonnenwende / kürzester Tag / Sonne geht (im hohen Norden) nicht auf
- Imbolc – zweiter Vollmond nach der Wintersonnenwende – beweglich etwa Mitte Februar
- Ostara – 21. März – Frühlings-Tag- und Nachtgleiche
- Beltane – 5. Vollmond nach der Wintersonnenwende – beweglich etwa Mitte Mai
- Litha – 21. Juni – Sommersonnenwende / längster Tag / Sonne geht (im hohen Norden) nicht unter
- Lugnasad – 8. Vollmond nach der Wintersonnenwende / Schnitterfest – beweglich etwa Mitte August
- Mabon – 23. September (Herbst- Tag- und Nachtgleiche)
- Samhain – 11. Vollmond nach der Wintersonnenwende – beweglich etwa Ende Oktober
Hoch-Zeit des Räucherns waren nach Yule die Rauhnächte, die „Zeit zwischen den Jahren“. Denn das Mondjahr zählt 354 Tage, das Sonnenjahr aber 365 / 366 Tage. Die 11-12 Tage dazwischen (ab 24. Dezember bis längstens 6. Januar) sind die dunkelsten des Jahres (Berechnung je nach Beginn des ersten Mondzyklus im Jahr – Neulicht – variierend). Bocksbeinige Dämonen sollten nach Volksglauben in diesen Nächten ihr Unwesen treiben. Dem setzten die Kelten ein reinigendes Räuchern (Rauchnächte) entgegen, um die Geister fernzuhalten. Gereinigt werden sollte das Haus mindestens einmal im Jahr gründlich von allem Unrat, Schmutz und schlechter Luft. Gern wird immer noch an Silvester geräuchert, auch wenn man nicht mehr an die Geister glauben mag, um das alte Jahr mit seinen Widrigkeiten und Fehlern loszulassen und das neue mit hoffnungsvollen guten Vorsätzen und besten Wünschen zu begrüßen.
Reinigendes Räuchern hat mehrere Verständnis-Varianten. Im Mittelalter wurde das Krankenzimmer gegen die Pest geräuchert, als man von Bakterien und Viren noch nichts wissen konnte und sich nicht anders zu helfen wusste; zumindest erhoffte man sich, manchmal ja nicht gänzlich zu Unrecht, eine den Raum reinigende Wirkung. In der zeitgenössischen Naturheilkunde wird reinigendes Räuchern heute so verstanden, schlechte Gefühle loszulassen, um neue Energien zu gewinnen und positive Kräfte zu stärken. Einführungsliteratur über diese Wirkungen und dazu passende Pflanzen und Mischungen liegt ebenfalls auf dem Präsentationstisch.
Aus welchen Gründen sonst noch räuchern? In vielen religiösen Zeremonien spielt es eine Rolle: Wir alle kennen Weihrauch in der katholischen Kirche, Räucherstäbchen bei buddhistischen Zeremonien, Salbei bei den indigenen Völkern in Amerika. Gemeinsam ist in den verschiedenen Traditionen die Vorstellung, dass durch den zum Himmel aufsteigenden Rauch die menschlichen Wünsche, Bitten und Gebete hinauf zu Gott / den Göttern getragen wird.
Ein dritter Hauptgrund für das Räuchern lag bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Medizin. Als man von den ätherischen Ölen und sonstigen Inhaltsstoffen verschiedener Kräuter, die beim Räuchern freigesetzt werden, noch nichts wissen konnte, lehrte dennoch die volksmedizinische Erfahrung, dass durch das Auflegen unterschiedlicher Pflanzen auf eine Glut und das Einatmen des Rauchs unterschiedliche gesundheitliche Wirkungen erzielt wurden.
Hervorgegangen aus dem traditionellen Wissen um das medizinische Räuchern ist heute zudem in der Naturheilkunde als Variante der Aromatherapie das „Räuchern für die Seele“. Der Duft der ätherischen Öle langsam verglühender Kräuter und Harze soll bei Reizüberflutung im täglichen beruflichen Kommunikationsinfarkt und sonstigen Überlastungen Körper und Seele wieder in die Balance bringen. Räuchern dient in diesem Kontext zur therapeutischen Unterstützung, sich wieder auf das Wesentliche zu focussieren und die eigenen Bedürfnisse und Gefühle wieder wahrzunehmen; es kann Orientierung schenken, wo ein Richtungswechsel im Leben gewünscht ist. Weitere Bücher zu dieser Thematik sind auf dem Markt und Anbieter im Internet zu finden.
Nach dem Warum kommen wir nun zum Wie des Räucherns. Carmen erläutert uns vier Methoden, die sie alle auf unserem Präsentationstisch aufgebaut hat:
- Räuchern mit Kohle – die klassische Art für religiöses und reinigendes Räuchern: Hierbei werden die ausgewählten Räucherstoffe auf glühende Kohle gelegt, wo sie verglimmen und ihr Aroma entfalten. Dazu benötigt man eine Räucherschale oder einen Tiegel, befüllt das Gefäß halb mit Sand, damit es nicht zu heiß wird, legt die Räucherkohle mittig darauf und entzündet sie. Etwas Geduld ist angesagt, bis sie zu knistern und zu rauchen beginnt. Erst wenn die Kohle ausreichend durchgeglüht ist, werden die Kräuter oder Harze aufgelegt. Auszureichend Zeit und Ruhe sind mitzubringen, um dem Ritual beizuwohnen und den lang anhaltenden Rauch in sich aufzunehmen.
- Räuchern mit Stövchen – die einfachere Variante für alle, die für die „Sauerei mit der Kohle“ nicht genügend Geduld haben. Einfach Teelicht entzünden, Stövchen draufstellen und die Kräuter obendrauf in das Sieb? Nun, ganz so leicht ist ein optimales Ergebnis doch nicht! Liegen die Räucherstoffe zu nah in der Mitte, verbrennen sie zu schnell. Empfindliche Blüten gehören daher eher an den Rand. Und wie groß soll der Abstand zwischen Kerze und Sieb sein – bei den einzelnen Stövchen-Modellen ganz unterschiedlich -? Je größer, umso langsamer verglimmen die Kräuter und Harze, und der Duft bleibt länger im Raum. Bei kürzerem Abstand geht es schneller, und das Aroma ist intensiver.
- Für blutige Anfänger ist das Räuchern mit Stäbchen wohl die einfachste Methode (an dem man aber auch am wenigsten selber beeinflussen kann). Es gibt die Stäbchen in den verschiedensten Aromen (z.B. Zedernholz, Zirbe und alle möglichen Mischungen) zu kaufen. Einfach aufgesetzt auf einen Stäbchenhalter – eine spezielle flache Schale, Art Untersetzer – und angezündet! Die herunterfallende Asche wird in einer Mulde aufgefangen.
- Noch eine gängige Variante: Räucherkegel – auch Räucherkerzen genannt –, die es in Hunderten von Mischungen fertig zu kaufen gibt, verbreiten einen intensiven Duft. Das Harz verschiedener Hölzer, Kräuter und ätherische Öle sind häufige Grund-Zutaten. Kegelhalter gibt es in unzähligen Formen, aber man kann größere Kegel auch wie Kohle in eine Räucherschale setzen.
Nur Insidern ist bekannt, wie man Räucherkegel auch in einer recht aufwändigen Prozedur selbst herstellen kann: Carmen präsentiert ihre Eigen-Fabrikation aus gemahlener Kohle, Schafgarbe, Wasser und Stärke als Bindemittel – alle Achtung, das erfordert wirkliches Können hinsichtlich der Konsistenz des Teiges und zudem Zeit und Geduld beim Trocknungsprozess. Sie macht auch Räucherkugeln mit Harzen und Gummi arabicum sowie Duftpralinen aus ausgehärtetem Fett, Bienenwachs, getrockneten Kräutern und ätherischen Ölen und hat uns ihre Kreationen mitgebracht.
Die ersten Räucherkerzen wurden um 1750 in Crottendorf im Erzgebirge hergestellt. Unser Museum besitzt eine Holzdose aus dieser Zeit mit einer feuerroten Fassung, die auf eine ältere schwarze Farbschicht aufgetragen wurde. Diese befand sich zuletzt im Besitz eines mittlerweise verstorbenen Apothekers der Liebig-Apotheke Leuna. Die hochovale Kartusche, weiß grundiert und dunkel umrahmt mit angedeuteten Rocaillen, ist passend beschriftet CANDEL FUMAL ORI (= Candelae fumales; die Abkürzung ORI konnten wir nicht auflösen).
In der Apotheke wurden einst Räucherkegel als Heilmittel gegen Keuchhusten und Asthma von Hand produziert. Aber erst mit dem Aufkommen des modernen Weihnachtsbrauchtums Mitte des 19. Jahrhunderts und der ersten Räuchermännchen aus dem Erzgebirge fand eine überregionale Verbreitung statt. Die erste fabrikmäßige Herstellung gelang 1889 in der Firma Knox (Schleitz) – gegründet von einem Apotheker, Hermann Zwetz.
Und die Wirkung der Pflanzen? Nicht alle eignen sich zum Räuchern – deshalb haben wir heute abend nur vier ausgewählt.
Beifuß ist ein Klassiker zur Reinigungs-Räucherung und zum Schutz gegen böse Geister. Zum Räuchern verwenden wir das Blatt und Blütenrispe kurz vor der Blüte. Beifuß ist insoweit eine der ältesten Ritualpflanzen Europas. Bei den mittel- und nordeuropäischen Bauern hat sich der Beifuß bis heute seinen Ruf als Schutzkraut gegen krankes Vieh, Blitzschlag, Unwetter, Getreideschädlinge u.a. erhalten. Zu seinen wirksamen Inhaltsstoffen des Beifuß gehören – was man früher natürlich noch nicht wusste – ätherische Öle, Gerb- und Bitterstoffe, Flavonoide, Vitamine, Inulin und Kampferöl -, denen seine Wirkungen zu verdanken sind: Antibakteriell, antimykotisch, desinfizierend, beruhigend, durchblutungsfördernd, entspannend, krampflösend, verdauungsfördernd. Bei Fieber, Bluthochdruck und in der Frühschwangerschaft sollte er nach Empfehlungen der Phytotherapie indes nicht eingenommen werden, denn er könne verfrühte Wehentätigkeit und allergische Reaktionen auslösen. Auch Kindern solle er nur mit Vorsicht verabreicht werden.
Das Apothekarium besitzt ein zylindrisches Weithalsgefäß aus kobaltblauem Glas mit eingezogenem Hals und umgeschlagenem Mündungsrand – charakteristisch für Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts. Das Papieretikett (Chromolithoghraphie) ist in Form eines gekrümmten Rechtecks rot grundiert, darauf flächig vergoldet und links und rechts jeweils mit dem typischen Motiv „drei Reiche der Natur“ versehen, was eine Verwendung in einer Apotheke beweist (hier allerdings nur mit Palme und Schlange; es fehlen die Steine). Die Beschriftung in schwarz lautet „ARTEMISIA VULGARIS“ (Beifuß).
Auch das Räuchern mit Salbei diente traditionell zur Reinigung der Raumatmosphäre, nach heutigem Verständnis des naturheilkundlichen Räucherns wirkt er das Bewusstsein klärend und die Konzentration fördernd, löst Blockaden und zieht positive Energien an. Verwendet werden getrocknete Salbeiblätter und -blüten. Zum Räuchern eignet sich vor allem der Echte Salbei (Salvia officinalis), der als Halbstrauch im Mittelmeerraum wächst. Salbeiblätter enthalten ein ätherisches Öl mit Thujon und Kampfer, bittere Diterpenphenole und Lippenblütler-Gerbstoffe (vorwiegend Rosmarinsäure) sowie Flavonoide. Salbei ist, basierend auf langjähriger Erfahrung in der Volksmedizin, als traditionelles pflanzliches Arzneimittel u.a. äußerlich zur symptomatischen Behandlung von Entzündungen im Mund- und Rachenbereich und zur Behandlung leichter Hautentzündungen anerkannt. Auch der heimische Wiesensalbei (Salvia pratensis) eignet sich grundsätzlich zum Räuchern, enthält jedoch viel weniger ätherische Öle als der Echte Salbei.
Eine sehr verbreitete Räucherpflanze ist Wacholder. Es eignen sich zum Räuchern sowohl das Holz als auch die Zweige, die Nadeln und die so genannten „Beeren“, die, botanisch gesehen, in Wirklichkeit Zapfen sind und drei Jahre bis zur Reife brauchen. Im alten Volksglauben gilt Wacholder sowohl als Abwehrmittel gegen Hexen, böse Geister und Teufel als auch zur Reinigung der Raumatmosphäre. Nach dem Verständnis des naturheilkundlichen Räucherns sorgt er für einen klaren und wachen Geist und hilft, negative Gedanken zu vertreiben. In der Küche wird Wacholderholz zum Räuchern von Fleisch, Schinken und Fisch verwendet. Wacholderzapfen enthalten ein ätherisches Öl mit Monoterpen-Kohlenwasserstoffen als Hauptkomponenten, Invertzucker, Catechingerbstoffe, Leucoanthocyane und Diterpene.
Es ist übrigens hierzulande nicht so leicht, an Wacholder zu kommen, wenn man ihn nicht zufällig im Garten hat; der Zweig auf dem Präsentationstisch stammt von einem Bäumchen in der Nähe des Riedhofs.
Von seltenen geschlossenen Wacholderheiden wie z.B. dieser im Westerwald – unweit meiner rheinischen Heimat – wäre es hingegen nicht erlaubt, Zweige von Juniperus officinalis zu pflücken, denn solche Areale stehen unter Naturschutz.
Und schließlich die Fichte: Sowohl das Harz als auch die Rinde und die Nadeln können zum Räuchern verwendet werden. Das wussten schon die Germanen, die den Baum sowohl für Reinigungsrituale als auch für Schutzräucherungen nutzten. Die Naturheikunde verspricht im Zuge der Raumluftklärung eine kräftigende und belebende Wirkung, die Förderung von Ausgeglichenheit und dem Mut zu einem neuen Weg, das Loslassen von schlechten Energien. Insbesondere frische Fichtenspitzen – die wir um diese Jahreszeit allerdings nicht haben – enthalten ein ätherisches Öl aus Monoterpenen, hauptsächlich aus Bornylacetat, Pinen, Phellandren und Camphen, sowie Flavonoide. Fichtennadelöl erhielt bisher keine offizinelle Anerkennung als traditionelles Arzneimittel, ist aber in der Volksmedizin gebräuchlich innerlich gegen Katarrhe der Luftwege sowie äußerlich bei leichten Muskel- und Nervenschmerzen.
Wollen wir das Räuchern einmal praktisch vorführen – und mit welcher Methode?, fragt Carmen in die Runde. Jaaa – am liebsten alles! Das aber geht aus Zeit- und anderen praktischen Gründen heute abend nicht. Wir entscheiden uns für die klassische Methode mit Sand und Kohle im Tiegel und von den 4 Pflanzen zur Auswahl für den Salbei. Um den Rauchmelder in der Offizin zu umgehen, müssen wir das nebenan in der Event-Küche machen, in der wir normalerweise mit Schulklassen Tee kochen. Das Publikum lockert sich gemütlich auf – die einen schauen Carmen in der Küche zu, wie die Räucherkohle zu glühen beginnt und der Salbei-Rauch langsam aufsteigt. In der Naturheilkunde kann Räuchern auch als Ritual gestaltet werden, in der ein begleitendes Gedicht oder Gebet vorgetragen wird. Carmen verliest dazu ein wunderbares Abendritual:
Ich bin dankbar für die Kraft,
Energie, Liebe, Hilfe, und all das Gute,
das mir im vergangenen Jahr zuteil wurde.
Einiges ist schief gelaufen und hat sich
nicht weiterentwickelt . Ungewohntes
hat bei mir Ängste und Sorgen ausgelöst,
Ich nehme das Vergangene
hin und schließe es ab als weiteren
Baustein meines Lebens.
Mir ist klar, dass Veränderungen
anstehen. Für die Zukunft wünsche
ich mir Mut, Frieden, Liebe, Licht,
und Segen für mich und meine
Familie.
Ich weiß noch nicht, wohin mich der
nächste Lebensabschnitt bringen
wird. Mit Optimismus und Zuversicht
nehme ich die künftige Herausforderungen
im Hürdenlauf des Lebens an
All meinen Dank und mein Anliegen
schicke ich mit dem Rauch nach oben,
als Botschaft an den Himmel.
(Adolfine Nitschke, Räuchermomente im Jahreskreis, GU-Verlag München, „Abendritual“, S. 36)
Andere Teilnehmer*innen, insbesondere die wenigen Neulinge, die uns noch nicht kennen, verweilen noch ein wenig in der Offizin, haben Fragen zu dem einen oder anderen Exponat, die mein Mann und ich gerne beantworten. Allen servieren wir zum guten Ausklang noch ein Gläschen von Carmens selbst fabrizierten Frucht-Likören (Quitte/Zimt, Mispel/Vanille, Zitrone/Thymian) sowie des meiner Schwiegermama Almut Mayring zu verdankenden Brombeerweins. Von Sieglindes genialen Hildegard-von-Bingen-Plätzchen, die wir im Vorjahr serviert haben, ist leider nichts mehr übrig, und da ich im Selber-Backen leider gänzlich unerfahren bin (ziemlich peinlich für eine Gundermann-Kräuterpädagogin ……..) sind meine Bio-Plätzchen gekauftes Fremdwerk einer im lokalen Bereich gut bekannten Bäckerei, für die ich Schleichwerbung an dieser Stelle unterlassen muss.
Ein Prosit allerseits …… und vielleicht schon bald sehen wir uns wieder! Interessent*innen, denen wir diese Veranstaltung aus Kapazitätsgründen absagen mussten (mehr als 15 Personen verkraftet unsere kleine Offizin leider nicht), haben am 8. Dezember noch einmal eine Chance: Dann werden wir mit Sieglinde weihnachtliche Pflanzen und Nadelbäume und ihre gesundheitlichen Wirkungen erklären – und ein weiteres Mal für diejenigen, die Carmens Präsentation verpasst haben, die Räucherschale anwerfen.