Geschützter Beifuß
Nicht jedes interessante Gefäß muss eine teure Preziose oder uralt sein, auch frühe Industrieprodukte können Charme entfalten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging in Frankreich die große Zeit der Porzellangefäße zu Ende und das industriell gefertigte Glas wurde modern. Zusammen mit dem gedruckten Papieretikett hielt sich diese Kombination bis in die 1970er Jahre.
Zu Beginn orientierte man sich dabei noch an den alten Dekoren der Porzellanzeit und dementsprechend sehen wir hier das berühmte Motiv „Trois Règnes de la Nature“ (drei Reiche der Natur). Gemeint sind damit das Reich der Pflanzen (Symbol: Palme), das Reich der Tiere (Symbol: Schlange) und das Reich der Mineralien (Symbol: Felsen). Aus diesen drei Reichen sollen die Grundsubstanzen für alle Medikamente genommen werden. Gelegentlich, so auch hier, entfallen die Felsen zugunsten eines steinigen Bodens um in der Mitte mehr Platz für die Beschriftung zu schaffen.
Normalerweise wurden diese Glasgefäße mit einem Korken oder einer Tektur verschlossen. Manchmal wurde aus optischen Gründen noch ein farbiger Blechdeckel aufgesetzt, der hier aber fehlt.
Das Papieretikett ist als Chromolithographie ausgeführt. Dies ist ein sehr aufwändiges Druckverfahren, das am Ende kaum von einer Ölmalerei zu unterscheiden ist. Mit etwas Glück und einer Lupe kann man aber erkennen wie die verschiedenen Farbschichten aufeinander gedruckt wurden, insbesondere wenn es dabei einen minimalen Versatz gegeben hat. Bei der Chromolithographie werden die hellen Farben zuerst aufgebracht und dementsprechend ist hier die unterste Schicht das Hellrot und nicht – wie es auf den ersten Blick erscheinen mag – das Gold.
Die Beschriftung Artemisia Vulgaris bedeutet Beifuß und in der unteren, rechten Ecke gibt es noch einen sehr kleinen Vermerk „DEPOSE“ (rechtlich geschützt).