Aufwärts zum Licht – die Birke

Unser Museum startet in die Event-Saison am 1. Februar – unmittelbar vor dem Mariä-Lichtmess-Tag und daher unter dem Motto „Aufwärts zum Licht“. 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – teils bekannte Gesichter, teils Neulinge – haben meine Kooperationspartnerin – PTA, Naturpädagogin und Gesundheitsberaterin Sieglinde – und ich zum Auftakt des neuen Museumsjahres bei uns versammelt.

Die Weihnachtszeit ist vorbei. In meiner Familie im Rheinland blieb früher der Christbaum bis zum Lichtmesstag stehen – heute ist das Fest aus dem öffentlichen Bewusstsein fast verschwunden. Nicht immer hatte es etwas mit der Gottesmutter Maria zu tun. In keltischer Tradition – insbesondere in Irland – war Imbolc ein Reinigungsfest (von alt-irisch imb-folc = „Rundum-Waschung“), zugleich aber zusammenfallend mit dem ersten Milchgeben der Schafe im Frühjahr (von alt-irisch Oimelc). Der Tag ist immerhin schon eine ganze Stunde länger als zu Weihnachten. In bäuerlicher Tradition begann grundsätzlich am 2. Februar das neue Wirtschaftsjahr, die Knechte und Mägde wurde entlohnt und entweder für ein neues Jahr weiterbeschäftigt oder entlassen. Der Reinigungsaspekt steht unabhängig davon in jüdischer Tradition: Bis 40 Tage nach der Geburt eines Sohnes galt die Frau als unrein und musste sich danach mit ihrem Sohn unter Darbringung von Opfertieren (Schaf und Taube) im Tempel reinigen lassen. Zudem wurde der Erstgeborene grundsätzlich als Eigentum Gottes betrachtet und musste durch einen Geldbetrag wieder „ausgelöst“ werden. Wir feiern die Darstellung Jesu im Tempel – ein häufiges und bekanntes sakrales Bildmotiv – tatsächlich 40 Tage nach Weihnachten, also am 2. Februar; das Fest wurde einst Mariä Reinigung genannt.

Zurück zum Licht: Kommt also der Frühling bald? In Kanada und Teilen der USA soll am 2. Februar das Waldmurmeltier den Wetterpropheten spielen. Am Groundhog Day wird vielerorts in einer medienwirksamen Zeremonie das Waldmurmeltier aus seinem Bau gelockt – das berühmteste Tier ist Phil aus Punxsutawney, das am Lichtmesstag über Millionen TV-Bildschirme flimmert. Wenn es seinen Schatten sieht – also die Sonne scheint -, huscht es zurück in den Bau und kommt erst nach rd. 6 Wochen wieder heraus. Es weiß: Die Strahlungswärme ist trügerisch, noch sind die Nächte eiskalt …… Sieht es dagegen keinen Schatten bei mutschig-trübem Schmuddelwetter, bleibt es draußen: Der Frühling kann nicht mehr weit sein. Diese Tradition stammt eigentlich nicht aus Amerika, sondern westfälische Einwanderer brachten sie einst nach Pennsylvania. Zu Hause kannten sie eine passende Bauernregel mit dem Dachs. In Amerika gibt es keine Dachse, doch mit dem Waldmurmeltier funktioniert die Wettervorhersage auch, wie man bald erkannte. So richtig zuverlässig ist sie allerdings nicht, in manchen Jahren liegen Phil & Konsorten auch daneben.

Hätten wir ein Murmeltier im Garten, hätte es heute keinen Schatten gesehen …. und doch haben wir bei feuchtem Nebel eine eiskalte, arktische Hochdruckwetterlage. Der Frühling ist also wahrscheinlich noch weit …. und doch wenden wir uns hoffnungsvoll der Birke zu. Warum gerade der Birke? Sie ist unser Lichtbaum. Nicht nur durch ihre weiße Glattrinde, die selbst an trüben Tagen einen monoton graubraun-kahlen Wald erhellt. Auch nicht nur, weil der Baum so viel Licht braucht und seine Krone locker-durchlässig sein muss, um zu überleben; daher
bildet die Birke überwiegend auf nährstoffarmen Sandböden größere Bestände, wo konkurrenzstärkere Baumarten sie nicht verdrängen. Sie toleriert harte Fröste, und ihr Winterschlaf ist kurz: Als Earlybird unter den Bäumen wird sie im zeitigen Frühjahr als erste Blätter tragen und mit der Photosynthese beginnen – und muss daher ihren Wasserhaushalt schneller und zügiger als andere Bäume ankurbeln. Sobald der Boden auftaut, können die Wurzeln Wasser aufnehmen; angefeuert vom osmotischen Gefälle eingelagerter Salze, Zucker und sonstiger Reservestoffe entsteht Wurzeldruck. In rasantem Tempo wird Wasser nachgepumpt, und die Inhaltsstoffe lösen sich. Botanisch nennen wir diese Flüssigkeit „Frühlingssaftstrom“, der durch den Stamm bis zu den Knospen an jedem Ast und jedem Zweig schießt, die bereits ungeduldig darauf warten, aufzuspringen. Hält man das Ohr in diesen Wochen an den Stamm, hört man innen unter der Borke das Birkenwasser rauschen. Nur kurz ist dieses Gastspiel – denn sobald die Blätter draußen sind, spielt sich ein Gleichgewicht ein, und der Frühlingssaftstrom versiegt.

Schon früher hat man diesen Birkensaft abgezapft und in der Volksheilkunde zu nutzen gewusst. Wir zeigen zur Einstimmung ein passendes Youtube-Video, weisen jedoch darauf hin, dass dieses Vorgehen nur an den eigenen Birken oder mit Erlaubnis des Eigentümers statthaft ist. Außerdem sollte man es damit nicht übertreiben, um den Baum zu schonen.
Es muss nicht zwingend ein Stamm aufgebohrt werden, sondern es funktioniert auch mit dem Abbrechen eines dicken Astes, an den dann das Auffanggefäß gehängt wird. Der Saft schmeckt erfrischend-süß, enthält neben dem charakteristischen Birkenzucker (Xylit) auch viel Vitamin C und Spurenelemente, Enzyme und Hormone; die Naturheilkunde empfiehlt ihn daher als entschlackende und das Immunsystem stärkende Frühjahrskur. Bereits im 19. Jahrhundert setzte die industrielle Produktion von Haarwasser aus dem mit Alkohol versetzten Birkensaft zur Haarwuchsförderung, gegen Schuppen und zur Pflege der Kopfhaut ein. Insbesondere die Hamburger Georg Dralle Parfüm- und Feinseifenwerke (1852- 1991) entwickelten 1889 ein europaweit und in Übersee bekanntes Birken-Haarwasser; den zur Herstellung notwendigen Birkensaft zapften sie 1895-1967 im eigenen Birkenwald in Bönningstedt ab. Unser Museum verfügt über passende Exponate aus den 1930er Jahren; noch in den 1950er Jahren wurde auch in der Hubertus-Apotheke Valentin Mayring Haarwasser selbst hergestellt.

Die mittelalterliche Klostermedizin erwähnt erstmals im 12. Jahrhundert in der Physica bei Hildegard von Bingen Birkensprossen gegen Rötungen und Pusteln der Haut. Auch die Verwendung von Birkenblättern und Birkenrinde war schon in den Kräuterbüchern der frühen Neuzeit und in der Volksheilkunde bekannt. Sie sollten gegen ein breites Spektrum von Krankheiten helfen, von Nieren-Steinleiden, Gelbsucht, Mundfäule und Hautflecken bis zu Lungenerkrankungen, Gicht, Hautkrankheiten, Unfruchtbarkeit, Magenerkrankungen, Rheuma und Arthritis. Nur einen Teil dieser Wirkungen konnte die moderne Pflanzenheilkunde anhand der Inhaltsstoffe nachvollziehen: Flavonoide und andere Polyphenole, Gerb- und Bitterstoffe in den Blättern sowie das in der Rinde eingelagerte Betulin (ein Triterpen), das auch für die weiße Farbe verantwortlich ist, wurden als entzündungshemmende, entwässernde und regenerative Substanzen nachgewiesen.

Verwendet werden

  • die jungen Laubblätter (Betulae folium) als Teedroge und
  • für Extrakte die vom Kork befreite Rinde (Betulae cortex).

Die Qualität der Birkenblätter ist im Europäischen Arzneibuch festgeschrieben („offizinell“); neben den Blättern der Weißbirke dürfen auch die etwas kleineren und behaarten Blätter der Moorbirke (Betula pubescens) sowie von Hybriden beider Arten genutzt werden. Für Birkenrinde gibt es keine amtliche Qualitätsbeschreibung. Birkenblätter wurden 2015 vom Europäischen Komittee für pflanzliche Arzneimittel (HMPC ) anerkannt als traditionelles Arzneimittel (traditional use) nach § 39a des Arzneimittelgesetzes (AMG): „Basierend auf langjähriger Erfahrung können Birkenblätter zur Erhöhung der Harn­menge und damit zur Durchspülung der Harnwege bei leichten Harn­wegs­beschwerden eingesetzt werden.“ Fertigarzneimittel aus den Blättern sind in Form von Tee, Tinkturen und Frischpflanzen-Presssaft im Handel.

Produkte aus der (nicht offizinellen) Birkenrinde – Ölauszüge, Extrakte und Salben – sind zur äußeren Anwendung vorgesehen und gelten rechtlich – mit Ausnahmen eines Birkenrinden-Gels, das 2016 eine Zulassung zur Behandlung oberflächlicher Hautwunden und Verbrennungen erhielt – als Kosmetikum.

Wir haben eine Reihe von Produkten auf dem Präsentionstisch stehen, und Sieglinde erläutert einige typische Anwendungen der Tees, Bäder, Tinkturen, Öle u.a. Ich habe mich auch selbst an Tinkturen aus Birkenknospen und Birkenrinde versucht; die Winterknospen enthalten allerdings deutlich weniger Inhaltsstoffe als die Frühjahrsknospen kurz vor dem Aufspringen, so dass die volksmedizinisch überlieferte Wirksamkeit innerlich gegen Erkältungen sowie äußerlich gegen unreine Haut nicht versprochen werden kann. Ein Massageöl aus Birkenrinde von Bäumen aus dem eigenen Garten habe ich ebenfalls als Anschauungsprodukt hergestellt; ein solches Öl eignet sich auch als Salbengrundlage.

Wir präsentieren auch den Birkenzucker (Xylit), wobei Sieglinde Produkte in Bioqualität von echter Birkenrinde aus nachhaltiger Forstwirtschaft von billiger Chemieware unter Verwendung von Maisstärke, Stroh, Getreidekleie oder Rückständen aus der Zuckerherstellung abgrenzt. Übertreiben sollte man es mit der Verwendung nicht, was sich aber mehr oder weniger für alle Zuckerersatzstoffe sagen lässt.

Die Kooperation Phytopharmaka rät Birkenpollenallergikern von Birkenblättern ab. Die Monographie weist auch darauf hin, dass bei einer Durchspülungstherapie reichlich Flüssigkeit getrunken werden müsse und Birkenblätter bei Wasser­ansammlungen als Folge einer eingeschränkten Nieren- oder Herztätigkeit nicht angewendet werden dürften, ferner dass für die Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vorliegen und auch von einer Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren wegen mangelnder Erkenntnisse abzuraten sei (www.arzneipflanzenlexikon.info).

Genug der Faktenschleuder – ist uns ein Licht aufgegangen? Kommen wir zurück zum Lichtmessfest – bei den Kelten war’s, wir erinnern uns, das Imbolc-Fest, und an diesem Tag wurde traditionell auch geräuchert. Damit kennt Sieglinde sich aus. Zum gemütlichen Abschluss unserer heutigen Veranstaltung wirft sie die Räucherschale mit typischen Lichtkräutern an. Denn zum Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres lassen wir Altes los und wenden uns Neuem zu. Wir bitten um Schutz, sammeln uns, halten inne. Auch eine Segnungs-Mischung mit 7 Kräutern hat Sieglinde dabei. Räuchern kann uns Hoffnung und Trost spenden, Kraft geben und uns helfen, unsere Wünsche zu formulieren. Damit soll uns der Start in die neue Event-Saison gut gelingen!

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