Vincent Garnier
Dieser Pariser Hersteller bietet bzw. bot Dekorationsobjekte aller Art an. Auch einige Apothekengefäße „im alten Stil“ waren darunter, die heute teilweise als authentische Originale angeboten werden. Insbesondere die charakteristischen Holzdosen mit Steckdeckel, Goldgrund und Wachssiegel auf dem Boden tauchen immer wieder auf. Es gibt aber auch Porzellangefäße und recht hübsche Kreationen aus Bronze, die dem Jugendstil folgen.
Zumeist fehlt der Herkunftsaufkleber auf dem Boden, der entweder im Lauf der Zeit verloren gegangen oder mit Absicht entfernt worden ist.
Die Holzdosen von Vincent Garnier haben typischerweise einen Steckdeckel, was bei Dosen vor 1800 unbekannt und vor 1900 zumindest sehr selten ist. Der übliche Deckel bei Holzdosen ist ein Stülpdeckel, der also über die Außenwand der Dose gezogen wird, wohingegen ein Steckdeckel an der Innenwand fixiert wird.
Auf dem Boden der Holzdosen von Vincent Garnier findet sich oft ein Wachssiegel. Auch dies kennen wir von älteren Holzdosen so gut wie gar nicht. Im Deutschen Apothekenmuseum in Heidelberg gibt es zwar ein Exemplar aus dem 17. Jahrhundert mit gleich zwei Wachssiegeln, aber das ist wohl ein individueller Fall, wo der Besitzer einfach Spaß am Siegeln hatte. Normalerweise tut man dies um einen Briefumschlag zu verschließen, so dass der Empfänger bei unbeschädigtem Siegel davon ausgehen konnte, dass noch niemand den Brief gelesen hat. Ein pharmazeutischer Zweck ist der Fachwelt jedenfalls noch nicht bekannt geworden.
Der Goldgrund ist ebenfalls typisch für Vincent Garnier, bei älteren Holzdosen findet man das ebenfalls so gut wie nie. Da war der Goldgrund noch religiösen Themen vorbehalten und tatsächlich gibt es von Vincent Garnier auch eine Reihe von „Crossover“-Holzdosen mit halb pharmazeutischem, halb religiösem Hintergrund (siehe z. B. oben ganz links).
Natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass auch einmal ein Heiliger in die pharmazeutischen Dekore Eingang findet – beispielsweise auf italienischen Albarelli oder „Christus als Apotheker“. Auch Klosterapotheken hatten eine natürliche Affinität zu religiösen Themen. Es blieben aber immer Gebrauchsgefäße, bei Vincent Garnier hingegen mussten sich die Holzdosen alleine aufgrund ihrer attraktiven Dekore verkaufen – in einer Apotheke standen sie nie.
Die folgenden Holzdosen datierte der Verkäufer ins 19. Jahrhundert, aber man sieht schon am abgefahrenen Dekor und an den Gebrauchsspuren, dass dies unwahrscheinlich ist. Das Wachssiegel auf dem Boden weist auch diese Dosen als Erfindungen von Vincent Garnier aus.
Markant bei der folgenden Gruppe ist, dass jeder Dekor anders ist und sogar die Formen wild variieren – es finden sich keine zwei gleichen Dosen. Dies ist immer ein Warnzeichen, denn natürlich hatten die Apotheker immer ganze Serien von einer Machart. Hier kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit von Vincent Garnier ausgehen, vermutlich hat die eine oder andere Dose auch noch das Wachssiegel auf dem Boden. Interessanterweise stammen diese Dosen sogar aus einer Apotheke, aber wurden sicherlich auch dort schon als reine Deko angeschafft.
Auch im Keramikbereich war Vincent Garnier umtriebig, da sogar mit eigener Bodenmarke „Vincent Garnier Paris Lelong“.
Noch eine allgemeine Bemerkung zum Aufkleber „Fait Main / Handarbeit“: Objekte mit einer derartigen Auszeichnung können natürlich nicht vor der Industrialisierung entstanden sein. Und hochwahrscheinlich sprechen wir sogar vom 20. Jahrhundert oder später, denn erst ab ca. 1900 war die maschinelle Herstellung von Dekorationsobjekten so verbreitet, dass ein Hinweis auf Handarbeit als Qualitätsmerkmal und nicht etwa als Qualitätsmangel wahrgenommen wurde.
Eine Firmengeschichte oder sonstige rechtliche Daten sind zu Vincent Garnier nicht zu finden. Möglicherweise handelt es sich auch um eine Einzelperson, die in den 1980er Jahren aktiv war. Vielleicht ist Vincent Garnier aber auch nur eine Handelsmarke einer ganz anderen Firma. Sachdienliche Hinweise sind natürlich, wie immer, sehr willkommen.