Vitalpilze statt Starkbier
Wieder mal haben meine Kooperationspartnerin, die PTA, Gesundheitsberaterin und Naturpädagogin Sieglinde Schuster-Hiebl und ich zu einem Event im Apothekarium eingeladen. Dafür haben wir uns den 19. März ausgesucht – den Josefitag. Was außerhalb von Bayern wahrscheinlich nicht jeder weiß: Traditionell erfolgt an diesem Tag – z. B. auf dem Münchner Nockherberg – der Starkbieranstich. Denn Biertrinken war erlaubt, um die lange Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern zu überstehen! Bis 1969 war St. Josefi in Bayern sogar ein Feiertag.
Heute möchte uns Sieglinde indes eine andere Methode nahebringen, nicht nur die nährstoff- und vitaminarme Fastenzeit gut durchzuhalten, sondern ganzheitlich den vom lichtarmen und kalten Winter gebeutelten Körper zu stärken und seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Einheimische Vitalpilze gehören zu diesem Zwecke in deutschen Apotheken zu den ältesten Naturarzneien. Der Apotheker zerstampfte getrocknete Pilze zu Pulver und setzte Tinkturen bzw. hochkonzentrierte Extrakte als alkoholische Auszüge an. Die Wirksamkeit der Pilze war in der Volksmedizin lange überliefert, als man über ihre Inhaltsstoffe und Wirkmechanismen noch gar nichts wissen konnte. Pilzsammler brachten auch gerne ihre Ausbeute zur Begutachtung und Überprüfung zum pilzkundigen Apotheker.
Eine überschaubare Gruppe Interessierter hat sich um 17 Uhr in den Räumen der ehemaligen Hubertus-Apotheke in Neubiberg (1950-2001) versammelt. Nur kursorisch erzähle ich etwas zur Apotheken- und Museumsgeschichte für diejenigen, die uns noch nicht kennen. Mit Pilzen hantierte mein Schwieger-Großvater, der letzte Inhaber Valentin Mayring, schon nicht mehr. Doch hätte er gewiss spannend gefunden, was man heute über die Mykotherapie alles weiß. Ergänzt wird das Sortiment pharmazeutisch nutzbarer einheimischer Pilze heute durch zahlreiche asiatische Vertreter, die auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin eine Rolle spielen (TCM ist mittlerweile auch ein Fachgebiet in der allerersten Offizin der Apotheker-Familie Mayring, der – nicht mehr in Familienbesitz befindlichen – St. Johannis-Apotheke in München-Haidhausen (gegründet 1899)).
Unser Präsentationstisch gibt den Teilnehmer*innen das erste Ratespiel auf: An den Schubladen unseres zentralen 1950er Jahre-Rezepturtisches haben wir Fotos von einheimischen und asiatischen Pilzen angebracht. Dazu zieht man einen Zettel und muss am Tisch das dazu passende Exemplar finden. Mancher bekannte Pilz wird schnell erraten, weil man ihn entweder schon in der Küche verwendet oder zumindest schon einmal gesehen hat – Austernseitling, Schopftintling, Holunderschwamm/Judasohr, Shiitake. Andere Zuordnungen können die Teilnehmer*innen am Aussehen des Pilzes mit etwas Fantasie erschließen – Igelstachelbart, Klapperschwamm (Maitake), Schmetterlingstramete. Kandidaten wie Eichhase, Chinesischer Raupenpilz oder Chaga / Schiefer Schillerporling sind aber schwierig.
Es schafft ein Experte unserer Runde, Diplom-Physiker und Patentanwalt. Von ihm erfahren wir die erstaunlichsten Dinge. Z. B. dass man hoch auf die Bäume klettern muss, um wirklich gute Austernseitlinge zu ernten – die Exemplare am Stumpf taugen oft nicht viel. Und dass – einst wichtig für den Apotheker – „getrocknet“ nicht gleich „getrocknet“ ist: Das Judasohr musste frisch-saftig geerntet und unterm Dach in der Kräuterkammer auf der Darre getrocknet werden – ein von alleine durch Wassermangel am Baum vertrocknetes Exemplar hingegen ist unbrauchbar und kann sogar zu Vergiftungen führen. Und dass das Myzel z. B. eines einzigen Steinpilzes unterirdisch ca. 20 x 15 m weit reichen kann. So weit denkt man ja nicht, wenn man den kleinen Fruchtkörper erntet. Übrigens, wer kennt das größte Lebewesen der Welt? Das ist ein schätzungsweise 2.400 Jahre alter und 600 Tonnen schwerer Pilz namens Dunkler Hallimasch im Malheur National Forest im US-Bundesstaat Oregon. Er erstreckt sich über eine Gebirgsfläche von unfassbaren 965 Hektar.
Sowie alle Pilze erraten sind, verrät uns Sieglinde ihre Gesundheitstipps. Dazu hat sie ein Test-Set eines einschlägigen Anbieters mit Proben von Pulver (präventiv und gegen leichte Beschwerden) und 20-fach höher konzentriertem Flüssig-Extrakt verschiedener Pilze dabei. Pulver sind zum Einrühren in Tees, Joghurt, Müsli u.a. geeignet, gibt es aber auch als Kapseln. Jeder darf sich nun aus dem Test-Set eine Probe herausziehen – vorzugsweise als Anschauungsunterricht passend zu dem vorhin erratenen bzw. neu erlernten Pilz. Sieglinde erläutert die wichtigsten Indikationen, die im Wesentlichen in der von der Gesellschaft für Vitalpilzkunde e.V. 2009 erstmals herausgegebenen (2019 umfassend überarbeiteten) Publikation „Vitalpilze: Naturheilkraft mit Tradition – neu entdeckt“ erklärt sind (unsere Abbildungen für das Ratespiel stammen ebenfalls aus diesem Buch).
Einige weitere Pilzbücher sowie eine Schale mit getrockneten Exemplaren bereichern darüber hinaus unseren Präsentationstisch.
Einige Tipps von Sieglinde, was Pilze alles können:
- Reishi, der „Pilz der Unsterblichkeit“ aus Asien, ein 4000 Jahre alter Anti-Aging-Pilz, verbessert die Herzleistung, schützt die Leber, stärkt das Immunsystem.
- Der aus der TCM bekannte Raupenpilz (cordyceps sinensis) stammt aus dem Hochland-Tibet über 3000 m; er stärkt Lunge, Leber und Nerven.
- Antibakteriell, antiviral, entzündungshemmend und zur Stimulierung des Immunsystems wirken z.B. Judasohr, Samtfußrübling, Schiefer Schillerporling, Schmetterlingstramete, Shiitake.
- Bei Angstzuständen, Burn-out und Depressionen können Reishi, Raupenpilz und Igelstachelbart ausgleichend und entspannend wirken.
- Sonnenpilz (Agaricus Blazei Murril), Schopftintling (coprinus comatus) und Klapperschwamm (Maitake) sind für Diabetiker geeignet, da sie die Blutzuckerwerte senken, die Zuckerverwertung in den Körperzellen unterstützen und den Fettstoffwechsel regulieren helfen können.
- Unterstützend zu den notwendigen schulmedizinischen Maßnahmen werden Vitalpilze auch in der Tumortherapie eingesetzt, z.B. Chaga (Schiefer Schillerporling), Schmetterlingstramete, Igelstachelbart, Sonnenpilz, Schopftintling.
Wer es ganz genau wissen will, findet im Buch eine ausführliche Indikationstabelle und dazu empfohlene Pilze. Zusammen mit einem guten Mykotherapeuten / Heilpraktiker mag er eine individuell geeignete Pilzkur abstimmen und ausprobieren.
Nun aber genug der grauen Theorie! Natürlich gibt es zum Schluss auch wiederum etwas Feines bei uns zu probieren – Vitalpilze gibt es auch als fertig-bequeme Teedroge. Nicht mehr offizinell, ist Pilztee heute bei naturheilkundlichen Anbietern und Kräuterkontoren frei beziehbar. Eine Melange aus Grünem Tee, Lemongrass und Klapperschwamm (Maitake), 1-2 Teelöffel auf eine Tasse 2 Minuten gezogen, schmeckt lecker und verleiht Energie für einen noch vitalen Sonntag – Starkbier braucht dazu heute Abend – der Heilige Josef möchte es verzeihen! – niemand mehr.
Bald ist Frühlingsanfang! Wir freuen uns auf die warme Jahreszeit und ein Wiedersehen mit neuen Ideen Anfang Mai! Über diese werden wir beizeiten informieren.